1. Johannes 2,15

Habt nicht lieb die Welt: Weltsystem und Kosmos in 1. Johannes 2,15

Man kann nicht Gott lieben und die Welt gleichzeitig, heißt es in der Heiligen Schrift. Das eine schließt das andere aus. Doch was ist dran an der “Welt”, dass Gläubige sie nicht lieben sollen? In den griechischen Originaltexten des Neuen Testaments ist die Rede von “Kosmos”, was Arnold G. Fruchtenbaum mit “Weltsystem” übersetzt – und dieses steht laut Bibel in Feindschaft mit Gott.

Jesus sagte in Johannes 8,23: “Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von unten, ich bin von oben. Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.“ Jesus kam also nicht von dieser Welt. Gleichzeitig heißt es, dass Gläubige diese Welt nicht lieben sollen, in: 1. Johannes 2,15: “Habt nicht lieb die Welt, noch was in der Welt ist! Wenn jemand die Welt lieb hat, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm.” Aber ist denn die Welt nicht unsere Heimat? 

Der Theologe John MacArthur, Autor der berühmten John MacArthur-Studienbibel, schreibt dazu in seinem Buch “Die Herrlichkeit des Himmels”: “«Unser Bürgerrecht ist aber im Himmel», heißt es in Philipper 3,20. Mit anderen Worten, der Himmel ist der Ort, wo wir hingehören. Wir sind nur «Gäste ohne Bürgerrecht und Fremdlinge auf Erden» (Hebr 11,12). Zu unseren Zielen sollte daher nicht das Ansammeln von materiellem Besitz auf der Erde gehören. Unser wahrer Reichtum – unser ewiger Lohn – ist im Himmel (5,12). In Matthäus 6,19-21 sagt Jesus, dass dort der einzige Schatz ist, den wir in Ewigkeit besitzen werden.” *[1]

Gäste und Fremdlinge auf der Welt

Wenn die Gläubigen also nur “Gäste und Fremdlinge” auf der Welt sind, diese Welt nicht lieben sollen, Jesus von außen auf diese Welt kam, und man nicht die Welt und Gott gleichzeitig lieben kann, sondern nur einen von beiden – was ist dann die “Welt” konkret? Die Bibel hat für viele der verwendeten Begriffe ziemlich konkrete Definitionen. So auch für die “Welt”. Es wäre an dieser Stelle sehr einfach, eine umgangssprachliche Bedeutung in der Formulierung “Welt” zu sehen. Doch tatsächlich ist im griechischen Neuen Testament die Rede von “Kosmos”. Der Theologe Arnold G. Fruchtenbaum, der eine Vielzahl von bekannten und tiefgehenden Studien zur Heiligen Schrift veröffentlichte, schreibt zum Thema der Bedeutung von “Welt”:

Um genau zu verstehen, was die Bibel unter dem Begriff Kosmos versteht, muss man drei griechische Schlüsselwörter unterscheiden. Das erste ist kósmos, was das “Weltsystem” bedeutet. Es wird im Neuen Testament 187 Mal verwendet und in der Regel mit “Welt” übersetzt. Das zweite Wort ist aión, das insgesamt 41 Mal verwendet wird. Auch aión wird gewöhnlich mit “Welt” übersetzt, aber eine wörtlichere Wiedergabe ist Zeitalter im Sinne von “eine Zeitspanne”. Das dritte griechische Wort ist oikoumené. Es wird im griechischen Neuen Testament 14 Mal verwendet. Auch oikoumené wird in der Regel mit “Welt” übersetzt, aber dieses besondere Wort bedeutet “die bewohnte Welt”. So bezieht es sich nicht auf die Welt im Allgemeinen, sondern nur auf jene Teile der Welt, die von Menschen bewohnt sind. Das einzige griechische Wort, das die Beziehung zu Satan betrifft, kósmos, das Weltsystem, das unter seiner Kontrolle steht.”  *[2]

Der Kosmos und das Weltsystem

Gemeint ist also keine allgemeine, umgangssprachliche Welt, sondern das konkrete Weltsystem des Weltzeitalters. Weltsystem (gr. kósmos) und Weltzeitalter (gr. aión) werden laut Bibel beide vergehen. Es erinnert ein wenig an die Filmreihe Matrix: Auch die Einwohner der Matrix leben in einem virtuellen Weltsystem, das sie für vollkommen real, immerwährend und unumstößlich halten. Die Matrix ist mit komplett eigenen Gesetzmäßigkeiten durchorchestriert, die nichts mit der tatsächlichen Realität zu tun haben. Die Matrix dient einzig und allein dem Zweck, die Wahrheit vor den Gefangenen zu verbergen – und zwar die Wahrheit, dass sie Sklaven sind. Ähnliche Gefangenschaftsverhältnisse gibt es auch im Weltsystem (gr. kósmos), wie Jesus in Johannes 8,34 sagt: “Jesus antwortete ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Jeder, der die Sünde tut, ist ein Knecht der Sünde.” Das bedeutet: Die Gesetzmäßigkeiten des Weltsystems sind darauf ausgerichtet, eine Anhaftung der Menschen zu erwirken, um das Gefangenschaftsverhältnis aufrechtzuerhalten.

Darüber hinaus wollen die meisten Menschen in der Matrix auch nicht rebellieren, da sie zu sehr an ihren Alltag gewöhnt sind. Die Gewöhnung und Verdrängung von kritischen Fragen sorgt dafür, dass sie in denselben altbekannten Alltagsroutinen bleiben wollen. Außerdem sind die wenigen Aufständischen, die aus der Matrix ausbrechen, mit einem neuen Problem konfrontiert: Die tatsächliche Realität des Zustands der Erde ist eine verstörende Dystopie, und viel schwerer zu ertragen, als die angenehme, virtuelle Illusion der Matrix. Aus diesem Grund begeht einer der Weggefährten Morpheus’ den Verrat an seiner Gruppe: Im Eintausch dafür, dass er zurück in die Matrix darf, dort mit Berühmtheit und Luxus ausgestattet wird, begeht er den Verrat. Im Gespräch mit “Agent Smith” deutet der Verräter “Cypher” an, dass er sich zwar bewusst ist, dass es sich bei der Matrix um eine Illusion handelt – er sie aber dennoch als so real fühlt, dass er die bessere Erkenntnis verdrängt. Zurück zur alten Gewohnheit also, unter Zuhilfenahme der Verdrängung einer schmerzlichen Realität. Gewöhnung und Verdrängung sind zwei Dinge in der Welt, die oft den Glauben unterminieren.

Doch wie ist das Weltsystem (gr. kósmos) laut Heiliger Schrift konstituiert? Arnold G. Fruchtenbaum schreibt dazu: “Aus den 187 Verwendungen des griechischen Wortes kósmos lässt sich die folgende Definition und Beschreibung bestimmen: Der Kosmos ist keine chaotische, sondern eine geordnete Welt. Von der Bedeutung her ist er also das einer bestimmten Organisation unterworfene System, das von Satan angeführt wird. Darüber hinaus hat das Wort kósmos immer einen moralischen Wert, da es eine anti-göttliche Konnotation besitzt. Eine umfassende Definition, die den Gebrauch des griechischen Wortes im Neuen Testament berücksichtigt, lautet wie folgt: Der kósmos ist ein von Satan erschaffenes System. Es entspricht seinen Idealen, Zielen und Methoden und umfasst Regierung, Konflikt, Rüstung, Eifersucht, Bildung, Kultur, moralistische Religionen und Stolz. *[3]

Wie wird das Weltsystem (gr. kósmos) gekennzeichnet?

Wie bereits thematisiert, hat das Weltsystem (gr. kósmos) bestimmte, durchorchestrierte Ordnungsprinzipien. Arnold G. Fruchtenbaum macht dabei neun Prinzipien aus, die aus der Heiligen Schrift bei der Charakterisierung des Weltsystems (gr. kósmos) hervorgehen. Diese Prinzipien helfen dabei, zu verstehen, womit wir beim Weltsystem rechnen müssen und warum es in 1. Johannes 2,15 heißt: “Habt nicht lieb die Welt”:

1. Fürst dieser Welt

Arnold G. Fruchtenbaum schreibt dazu: “Die Lehre vom Kosmos beinhaltet neun Prinzipien. Das erste Prinzip ist, dass er unter der Kontrolle Satans steht. Er herrscht über die Reiche dieser Welt (Lk 4,5-7). Er ist der Fürst dieser Welt (Joh 12,31) […].” *[4]

2. Der Kosmos kennt Gott nicht und ist feindlich

Das Weltsystem schirmt sich von Gott ab, negiert Gott und steht in Feindschaft mit Gott. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt: “Das zweite Prinzip ist, dass der Kosmos absolut böse ist. In Römer 5,12 sagte Paulus, dass die Sünde in den Kosmos eingedrungen sei, und gemäß 1. Korinther 1,21 kennt der Kosmos Gott nicht. […] Der Kosmos ist in Feindschaft mit Gott (Jak 4,4).” *[4]

3. Fokus auf persönlich-fleischliche Versuchungen

So wie Menschen Sklave der Sünden werden können, gehört es zu den Ordnungsprinzipien des allgemeinen Weltsystems (gr. kósmos), im Rahmen des Gefangenschaftsverhältnisses persönlich-fleischliche Versuchungen als Hebel anzuwenden. Je mehr ein Mensch auf persönliche und fleischliche Handlungsmotive fokussiert ist, desto stärker ist er mit dem Weltsystem verflochten. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt dazu: “Das dritte Prinzip betrifft Satans Unterfangen im Kosmos, welches aus der Versuchung in drei Bereichen besteht: die Begierde des Fleisches, die Begierde der Augen und der Hochmut des Lebens.” *[4]

4. Fokus auf materielle und systemische Begierden

Hinzu kommen materielle und systemische Begierden. Der Wunsch nach Heimat und Geborgenheit, aber ohne Gott, wäre eine systemische Begierde – ein Denken, in dem man durch Verdrängung und Gewohnheit doch noch “seinen Platz” in der Matrix finden will. Gleichzeitig gibt es materielle Begierden, die nicht nur auf der Ebene persönlicher Bereicherung liegen müssen, sondern auch im übergeordneten Kontext von sogenannten wirtschaftlichen “Sachzwängen” geprägt sind. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt: “Das vierte Prinzip betrifft die drei Begierden des Kosmos: Erstens verlangt er nach Reichtum (Mk 4,19)”. Zweitens verlangt er nach Geborgenheit, aber getrennt von Gott (1. Kor 7,29-31). Drittens verlangt er statt nach geistlichen Dingen, nach materiellen Gütern (Ja k2,5).” *[4]

5. Die Ohnmacht des Kosmos

Da der Kosmos Gott negiert und ihm feindlich gegenüber eingestellt ist, ist er an sich keine Hilfe dabei, Gott zu finden – er ist ohnmächtig, wenn es um Gott geht. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt dazu: “Das fünfte Prinzip betrifft die Ohnmacht des Kosmos in Bezug auf geistliche Dinge. Der Kosmos kennt den Vater nicht (Joh 17,25). Er ist ohne Gott (Eph 2,12) und kennt Gott auch nicht (Joh 4,9).” *[4]

6. Gott liebt den Kosmos dennoch

Trotz allem sorgte sich Gott dennoch um die Errettung der Gläubigen aus dem Kosmos, sodass er seinen Sohn in den Kosmos sandte. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt: “Das sechste Prinzip ist, dass Gott den Kosmos dennoch liebt: “Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab” (Joh 3,16). Weil Gott die Welt geliebt hat, sandte er seinen Sohn in den Kosmos  (Joh 4,9).” *[4]

7. Jesus kam von außen in den Kosmos

Kommen wir zurück auf die Bibelstelle, die wir eingangs gesehen haben: Jesus sagte in Johannes 8,23: “Und er sprach zu ihnen: Ihr seid von unten, ich bin von oben. Ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt.“ Im Kontext des Weltsystems (gr. kósmos) ist das also kein umgangssprachlicher Aphorismus, den Jesus hier formulierte, sondern meint ganz konkret, dass Jesus von außen in den Kosmos gesandt wurde. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt dazu: “Das siebte Prinzip ist, dass das Programm des Sohnes nicht vom Kosmos war. Er wurde in den Kosmos gesandt, aber er gehörte nicht zu ihm. Er kam, um die Gläubigen aus dem Kosmos zu retten (Joh 12,46). Der Heilige Geist wird den Kosmos verurteilen (Joh 16,8).” *[4]

8. Die Gläubigen gehören nicht zum Kosmos

Die Gläubigen haben ihr Bürgerrecht im Himmel und sind Fremdlinge und Gäste im Kosmos. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt dazu: “Der achte Grundsatz betrifft die Stellung der Gläubigen im Kosmos. Wie ihr Erlöser gehören auch sie nicht zu diesem Kosmos. Vielmehr werden sie vom Kosmos gehasst (Joh 15,18-19; 1. Joh 3,12). […] Dennoch sind sie von Gott in den Kosmos gesandt (Joh 17,14, 16). Obwohl sich die Gläubigen im Kosmos befinden, sollen sie von ihm unbefleckt bleiben (Jak 1,27). Sie können ihn durch Glauben überwinden (Joh 5,4).” *[4]

9. Der Kosmos ist vorübergehend

Zu guter Letzt ist sowohl das Weltsystem (gr. kósmos) als auch das Weltzeitalter (gr. aión) von einem vorübergehenden Charakter bestimmt. Arnold G. Fruchtenbaum schreibt: “Das neunte Prinzip betrifft den vorübergehenden Charakter des Kosmos. Er ist dazu vorherbestimmt, zu einem Ende zu kommen. Er steht unter dem Gericht Gottes (Röm 3,19) und wird vergehen (1 Kor 7,31). Er steht unter der Verdammnis (1. Kor 11,32) und eines Tages wird er verbrannt werden (2 Petr 3,10).” *[4]

Darum ist es unmöglich, Gott und die Welt gleichzeitig zu lieben

Zusammenfassend ist das Weltsystem (gr. kósmos) eines: Ein Betrugssystem, das in Feindschaft mit Gott steht. Aus diesem Grund können Gläubige nicht die Welt lieben, und gleichzeitig Gott. Wer Gott von ganzem Herzen lieben will, darf also das Weltsystem nicht lieben. Wer dem Weltsystem dient, und diesem anhaftet, beteiligt sich also an der Feindschaft des Weltsystems zu Gott. Man kann nicht zwei Herren dienen – denn man wird den einen lieben und den anderen hassen, wie Jesus in Matthäus 6,24 sagte: “Niemand kann zwei Herren dienen, denn entweder wird er den einen hassen und den anderen lieben, oder er wird dem einen anhängen und den anderen verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon!

  • [1] John MacArthur:Die Herrlichkeit des Himmels”, Verlag Mitternachtsruf (Dübendorf), Christliche Verlagssgesellschaft mbH (Dillenburg), 2016, S. 78
  • [2] Arnold G. Fruchtenbaum: “Ha-Malakhim: Das Reich der Engel”, CMV Hagedorn (Düsseldorf), 2020, S. 97f
  • [3] Arnold G. Fruchtenbaum: “Ha-Malakhim: Das Reich der Engel”, CMV Hagedorn (Düsseldorf), 2020, S. 98
  • [4] Arnold G. Fruchtenbaum: “Ha-Malakhim: Das Reich der Engel”, CMV Hagedorn (Düsseldorf), 2020, S. 98ff

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